Laub- und Mischwälder mit viel Totholz – das ist der bevorzugte Lebensraum des
Weissrückenspechts. Wegen intensiver Waldnutzung seit Anfang des 19. Jahrhunderts war die
Vogelart vielerorts verschwunden. «Heute besiedelt der Weissrückenspecht wieder die Wälder der
Ostschweiz, Vorarlbergs und Liechtensteins, weil die Waldbewirtschaftung in Europa in den letzten
Jahrzehnten extensiver geworden ist; man lässt mehr Totholz stehen und liegen», erklärt Romain
Angeleri, Ökologe an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften BFH-HAFL.
Mehr Käfer im Lebensraum des Spechts Da der Weissrückenspecht
hauptsächlich totholzfressende Insekten verzehrt, steht er mit dem Vorhandensein von grösseren
Mengen an Totholz in Wäldern in Verbindung. Die Forschenden wollten nun herausfinden, ob es
folglich in Wäldern, wo der Specht vorkommt, auch mehr Totholzkäfer hat; diese sind nicht nur
«Spechtfutter», sondern wichtig für den Wald: Die totholzfressenden Insekten zersetzen das
abgestorbene Holz und tragen damit zum natürlichen Kreislauf des Waldökosystems bei und sind ein
Zeichen für Biodiversität. Hat es tatsächlich mehr Totholzkäfer, kann der Specht als Schirmart
von Totholzkäfern gelten, die sich in ökologisch wertvollen Lebensräumen aufhalten. Eine Schirmart
ist eine Art, bei der vom Schutz deren Lebensraums auch andere Arten profitieren können, die
denselben Lebensraum teilen. Schützt man einen, schützt man viele Den
Zusammenhang Specht-Käfer können die Waldökologen Romain Angeleri und Thibault Lachat in
ihrer neuen Publikation in «Ecological Indicators» mit Zahlen belegen: In den Brutgebieten des
Weissrückenpechts wurden mehr Käferarten gefunden, die auf der Roten Liste stehen, als in
Gebieten ohne diesen Specht. 17 Arten, darunter 4 bedrohte, sind sogar eng mit dem Lebensraum
des Spechts verknüpft – im Vergleich zu 3 unbedrohten Arten in «spechtlosen» Gebieten. Somit
bestätigen die Forschenden, dass der Weissrückenspecht Schirmart für Totholzkäfer ist: «Schützt
man den Vogel, schützt man dadurch viele Totholzkäferarten.» Romain Angeleri: «Wir haben
auch beobachtet, dass die wichtigen, ökologisch wertvollen Lebensräume nicht nur aus
Waldreservaten bestehen, sondern auch aus Wäldern, die zur Holzproduktion und zum Schutz vor
Naturgefahren genutzt werden.» Suchen, fangen, messen, bestimmen Um
die Beziehung Specht-Totholzkäfer zu ergründen, wurden mit Daten von Spechten, die von
Forschenden der Schweizerischen Vogelwarte mit Funksendern ausgestattet worden waren,
«spechtaktive» Waldgebiete identifiziert. Mit Fallen fing, bestimmte und untersuchten Angeleri und
sein Team mehr als 20'000 Käfer aus über 400 Arten. Auch der Lebensraum wurde charakterisiert,
die Menge und das Zerfallsstadium des Totholzes gemessen. Die Zusammenarbeit zwischen den
BFH-HAFL-Forschenden mit jenen der Schweizerischen Vogelwarte und auch mit der Abteilung
Conservation Biology der Universität Bern stellte die Basis für diese Studie dar. Romain
Angeleri und Thibault Lachat hoffen, dass man sich aufgrund ihrer Ergebnisse stark für den
Weissrückenspecht macht, der immer noch sehr selten und gemäss roter Liste der Schweiz
«verletzlich» ist. «Dieses Engagement kommt zugleich auch den totholzfressenden Insekten und der
Biodiversität im Wald zugute.» Kontakt
Prof. Dr. Thibault Lachat
+41 31 910 21 42