Schon bei den ersten Fragen hallt das Lachen von Niéli Daffé durch die kleine Kaffee-Ecke der
Bibliothek im Paul Scherrer Institut (PSI) im Kanton Aargau. "Einer Physikerin gegenüberzustehen,
macht den Leuten manchmal wirklich Angst", bestätigt sie. Doch die Expertin für elektromagnetische
Materialien sieht ihre Tätigkeit als einen Beruf wie jeden anderen. "Vielleicht mit dem Unterschied,
dass das Konzept darin besteht, etwas Unbekanntes als Ziel anzupeilen." Das PSI beherbergt unter
anderem die Quelle für Röntgenstrahlen Swiss Light Source, einen Elektronenbeschleuniger
(Synchrotron), der wie ein riesiger Donut mit einem Umfang von fast 300 Metern aussieht. Für Niéli
Daffé ist das Synchrotron zum zweiten Zuhause geworden. Mithilfe des dort erzeugten intensiven
Röntgenstrahls kann die Materialwissenschafterin Moleküle bis hin zu ihrer atomaren Struktur
untersuchen. Sie arbeitet insbesondere mit Molekülen, die ihre Farbe sowie ihre elektronischen und
magnetischen Eigenschaften ändern, wenn sie beleuchtet werden. Diese neuen Materialien könnten
als ferngesteuerte, lichtaktivierbare Schalter in der Molekularelektronik dienen. Jede Minute des
Strahls nutzen "Meine Arbeit befindet sich noch im Stadium der Grundlagenforschung,
praktische Anwendungen werden daraus nicht morgen oder übermorgen resultieren", erklärt Niéli
Daffé. Doch das macht ihren Alltag nicht zu etwas Abstraktem, ganz im Gegenteil. Zu ihren Highlights
gehören die "Synchrotron-Kampagnen", wenn sie an den Röntgenstrahllinien der Anlage arbeiten
kann. Diese Zeiträume zum Sammeln von Daten dauern bis zu einer Woche, drei bis vier Mal pro
Jahr. "Jede Minute zählt. Die Projekte werden Gremien vorgelegt, und wenn sie machbar und
interessant scheinen, erhält man Zeit zur Nutzung des Synchrotrons, die man optimal nutzen muss."
Sie erzählt von den Tag- und Nachtschichten, dem Austausch mit anderen Forschenden am Tag und
der etwas surrealen Ruhe in der Nacht. Im Vorfeld dieser Versuche müssen vorläufige Ergebnisse
und Hypothesen generiert werden, aber auch eine ganze Ladung an Proben und geplanten
Experimenten. "Bereits in den ersten Stunden analysieren wir die Ergebnisse live, und je nachdem,
was wir beobachten, reagieren wir und passen die Protokolle laufend an." In dieser frühen Phase
versucht man zum Beispiel abzuklären, bei welcher Versuchstemperatur interessante Phänomene
sichtbar werden oder welche Probenchargen die besten Eigenschaften für die weiteren Tests
aufweisen. Ziel ist es, Daten zu sammeln, aus denen neue Erkenntnisse gewonnen werden können.
Preussischblau als Inspirationsquelle Niéli Daffé arbeitet mit winzigen
Würfeln, die aus acht abwechselnd angeordneten Eisen- und Kobalt-Atomen bestehen. Diese
Molekülkonstruktionen sind abgewandelte Versionen von Preussisch Blau in Miniaturform. Das
Pigment Preussisch Blau wurde zum Beispiel beim Druck "Die grosse Welle" von Kanagawa
verwendet. Mehr als zwei Jahrhunderte nach der zufälligen Entdeckung durch einen Farbenhändler
Anfang des 18. Jahrhunderts erkannten Wissenschafter, dass die in vielen Gemälden verwendete
Farbe weitere interessante Eigenschaften aufweist. Konkret entdeckten sie, dass Polymere aus dem
abgewandelten Pigment ihre Farbe oder magnetischen Eigenschaften ändern, wenn sie bei sehr
kalten Temperaturen bestrahlt werden. Daraufhin wurden kleinere Moleküle mit diesen Eigenschaften
entwickelt. Die resultierenden Einheiten sind winzig, besitzen aber die gleichen photomagnetischen
Eigenschaften der Preussischblau-Derivate, von denen sie inspiriert sind. Niéli Daffé arbeitet heute
mit Würfeln mit einer Kantenlänge von zwei Nanometern. Sie entwickelt eine Methode zum Auftragen
dieser Moleküle auf Oberflächen, ohne die photomagnetischen Eigenschaften zu verlieren. Wenn
dies gelingt, könnten die Methode eines Tages für die Herstellung von elektronischen Komponenten
verwendet werden. Materialwissenschaften statt Parfümerie Niéli Daffé
schätz diese Mischung aus angewandter Chemie und Physik, Analyse, Modellierung und Mechanik.
"Einerseits spielt man im Kopf Szenarien durch, gleichzeitig ist man aktiv, experimentiert, reagiert,
bastelt etwas. Genau das mag ich an der experimentellen Forschung." Eigentlich hatte die
französisch-senegalesische Wissenschafterin ihren akademischen Werdegang "überhaupt nicht
geplant". "Mein Vater ist Wirtschaftsprofessor und wurde durch Stipendien und Studium zu dem, was
er heute ist. Es steckte in meiner DNA, dass ich studieren würde. Aber ich dachte, dass ich danach in
die Industrie gehen würde." Mit 18 Jahren will sie Parfümeurin werden. Sie verlässt Dakar in Richtung
Frankreich und studiert Chemie in Montpellier. Ihr Studium schliesst sie mit einem Master in
Materialchemie an der Universität Pierre et Marie Curie in Paris ab. "Mir wurde erst gegen Ende des
Masters bewusst, dass dieser Studiengang für eine Karriere in der Forschung gedacht war", meint sie
lachend. Während des Abschlusspraktikums im Labor wird ihr angeboten, ihr Projekt in Form einer
Dissertation fortzusetzen. "So habe ich meine Doktorarbeit begonnen und zum ersten Mal ein
Synchrotron betreten, um die magnetischen Materialien zu beschreiben, mit denen ich arbeitete." Einige Jahre später, im Jahr 2017, landete sie in der Deutschschweiz, genauer gesagt beim
Aargauer Teilchenbeschleuniger. Nach mehr als zwei Jahren am PSI sowie einem Aufenthalt am
Synchrotron in Grenoble erhielt sie 2021 einen Ambizione-Förderbeitrag des Schweizerischen
Nationalfonds (SNF). Über das häufige Umziehen macht sie sich nicht übermässig viele Gedanken.
"Seit ich Dakar verlassen habe, bin ich nicht mehr lange an einem Ort geblieben. Ich bin offen,
nehme Chancen wahr und sage mir: Solange ich das liebe, was ich tue, ist es die richtige Strategie."
Gerade in der Schweiz fühlt sie sich wohl, nicht zuletzt wegen der Seen und Flüsse. "Sie erinnern
mich ans Meer, das mag ich", lächelt sie. Zum Schluss meint Niéli Daffé: "Ich bin ein ganz normaler
und einfacher Mensch, ich treibe gerne Sport, treffe mich mit Freunden und geniesse zusammen mit
meinem Mann die Natur. Und manchmal auch einfach das Nichtstun." Ein erster Schritt in
die wissenschaftliche Unabhängigkeit Ambizione-Beiträge richten sich an Forschende
auf einer frühen Karrierestufe, die selbständig ein Projekt an einer Schweizer Hochschule
durchführen und leiten möchten. Das Instrument fördert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
aus der Schweiz sowie aus dem Ausland. Das Ziel ist, dass sie nach der Förderung entweder ihre
wissenschaftliche Laufbahn fortsetzen oder ihre Kompetenzen ausserhalb der akademischen Welt
anwenden. Der Text dieser Medienmitteilung, ein Downloadbild und weitere Informationen
stehen auf der Pressekontakt:
Niéli Daffé
Paul Scherrer Institut PSI
Forschungsstrasse 111
5232 Villigen
PSI
Schweiz
Tel.: +41 56 310 47 60
E-Mail: